Tanz bedeutet Leben
… und Freiheit

Carmine Romano

Leiter des Laboratorio Danza | im Gespräch

Carmine, was ist Dein Motiv?

Mich fasziniert es, Menschen mit meinem Herz und mit Emotionen berühren zu können und meine Zuschauer zum Nachdenken anzuregen. Damit kann ich einen Impuls geben für mögliche innere Veränderungsprozesse. Bei der Entwicklung meiner Stücke lege ich den Fokus auf sozialkritische Themen oder auf Fragen, die Leben und Tod und auch das Leben danach betreffen. So ist meine Arbeit ein Spiegel meiner eigenen Fragen und inneren Prozesse.

Der Tänzer & Choreograf | im Gespräch

Carmine, wo siehst Du Deine Wurzeln?

Angefangen hat meine Leidenschaft für den Tanz schon früh in meiner Kindheit. Mein Großvater war mein erstes großes Vorbild, da er durch seine Leidenschaft für dem Tarantella-Tanz beseelt diesen aktiv im ganzen Umland meiner italienischen Heimat Sassano tanzte und verbreitete. So verband ich schon sehr früh das Tanzen mit dem Gefühl von Lebendigkeit und Freiheit. Und mit Hoffnung.

Und was prägt Deine Art zu arbeiten?

Eine große Quelle der Inspiration war und ist jedoch die unvergessliche Pina Bausch. Es ist ihrem Pioniergeist zu verdanken, dass sie Tanztheater als eigene Form des Ausdruckstanzes entwickelt hat. Tanz wird so zur Sprache für all unsere inneren Prozesse und Gefühle. Körper und Bewegung sind das Vokabular, mit dem diese wunderbare Sprache ihren Ausdruck findet.

 

 

Von der Idee bis zur Bühne:
So entwickle ich eine Choreografie

Carmine, wie entsteht eigentlich so ein Werk, das Du uns als Publikum präsentierst?

Das ist ein immer wieder ähnlicher Prozess, der jedoch viel mit Kreativität und Improvisation zu tun hat und deswegen nie vorhersehbar ist. Ich weiß am Anfang: „Da entsteht etwas.“ Ich weiß nur nicht, wie es am Ende des Entstehungsweges aussieht.

Die einzelnen Schritte lassen sich etwa so beschreiben:

Erster Schritt

Eine Fragestellung, Vision oder auch ein gesellschaftliches Thema taucht auf, erst wie eine Ahnung, dann immer deutlicher mit schärferer Kontur und ersten Bildern in meinem Kopf.

Zweiter Schritt

Eine Geschichte entsteht, die in Zusammenarbeit mit Dramaturgen schriftlich festgehalten wird. Die Geschichte ist dann die Grundlage, um die einzelnen Szenen in bewegte Bilder zu übertragen.

Dritter Schritt

Über einzelne Fragen wird das jeweilige Thema erarbeitet, zum Beispiel: „Was bedeutet für Dich Frühling?“
Gemeinsam mit den TänzerInnen suchen wir verschiedene Assoziationen zum Thema, kleine getantzte Bilder entstehen … Farben, Gefühle, Kindheits-Erinnerungen, Ereignisse, Träume, Sehnsüchte, all das fließt ein und wird durch Improvisation in Gesten und Körperausdruck übertragen … Die TänzerInnen werden animiert, das Thema für sich mit ihrem Körper zu beschreiben. Dafür arbeiten wir mit Bewegung, Dynamik, Gestik, Mimik.
Eine Liste an Assoziationen, die für unser Thema wichtig sind, wird spielerisch ertanzt und mit Bewegung ausgedrückt. Dabei probieren wir auch aus, welcher Begriff in welcher Zusammensetzung bzw. Gruppierung – z.B. Solo, Duo, Quartett, Unisono – am besten zur Geltung kommt.

Vierter Schritt

Das spielerisch gefundene „Bildmaterial“, diese gesammelten, bruchstückhaften Bewegungen werden zu Sequenzen zusammengesetzt, in Kombination mit Dynamik und Musik entsteht die tiefere Interpretation der einzelnen inhaltlichen Abschnitte.
Mehrere dieser rhythmisierten Sequenzen bauen sich Stück für Stück zur Gesamtkomposition zusammen. Das ist bis zum Schluss ein sehr kreativer, immer wieder sich wandelnder Prozess, der fast schon vibriert.

Fünfter Schritt

Um das Stück bühnenreif zu bekommen, werden übergeordnet klassisch strukturgebende Elemente der Dramaturgie wie „Anfang, Mitte, Ende“ mit aufeinander abgestimmten Sequenzen gefüllt. Ein gesamtes Bild entsteht, es wird geprobt, erweitert, verfeinert … Licht, Bühnenbild, Raum. Alles fügt sich zu einem Ganzen und bekommt eigentlich erst mit der Aufführung gemeinsam mit dem Publikum seine wirkliche Form.